1987 huebner

1987 • Grafik

Beate Hübner

Breslau 1944 – Würzburg 1997



Beate Hübner

Die Reaktionen auf Beate Hübners Arbeiten sind vielschichtig, sie lösen oft eine merkwürdige Form der Nichtgreifbarkeit aus, die sich in der Gleichzeitigkeit von Anziehung und Abstoßung manifestieren kann. Viele Betrachter schätzen ihren Hang zum Makabren, Satirischen oder Grotesken, andere bevorzugen das Schalkhafte, Weiche, Liebevolle und Erotische in ihren Bildaussagen.

So ambivalent wie die Rezeption, so divergierend ist auch die Kategorisierung: Eine eindeutige Zuordnung zu einer Kunstrichtung gelingt ebenso wenig wie die Einordnung ihres Werkes in den Kunstbetrieb. Es lässt sich lediglich eine Veränderung konstatieren: Konfrontierte uns Beate Hübners Blick früher eher mit den düsteren, ängstigenden Teilen unserer Person, so mischte sich später die Erinnerung an Lebensfreude in ihr Werk. Sie hat es allerdings zu Beginn ihrer künstlerischen Laufbahn nicht einfach gehabt.

1944 in Breslau geboren, verschlagen nach Aschaffenburg, studierte sie ab 1962 an der Werkkunstschule in Offenbach Typographie und Druckgestaltung. Der Tod ihres Vaters, ein Jahr vor ihrem Examen, zwang sie 1966 zur Aufgabe des Studiums. Von 1967 bis 1969 arbeitete sie als Pressezeichnerin und Plakatmalerin in einem Aschaffenburger Kaufhaus, bevor sie sich 1970 als freischaffende Künstlerin niederließ.

Seit 1968 zeigte sie ihre Bilder in vielen deutschen Städten, unter anderem in Berlin, Hamburg, Hannover, Gießen, Frankfurt, Köln, Ulm, Würzburg und Nürnberg. Sie beteiligte sich an internationalen Ausstellungen in Holland, Belgien, Italien, Kanada und Japan.

Das Wilhelm Busch Museum in Hannover, das Städtische Museum in Aschaffenburg und das Klingspor Museum in Offenbach kauften ihre Werke an. Seit Anfang der 1980er Jahre wirkte sie entscheidend am Aufbau der Kulturwerkstatt Flörsbachtal mit, die 1987 in der Alten Schule in Lohrhaupten eröffnet werden konnte. Jeweils Freitag- und Samstagnachmittags wurden hier Möglichkeiten zu kreativem Tun angeboten, bei Beate Hübner konnte man Kurse im Radieren und Buchbinden belegen.

Aber es blieb nicht allein beim Engagement für die Kunst, gleichzeitig mit der Kulturwerkstatt wurde im ersten Stock der Lohrhauptener Schule eine Wohnung für asylsuchende Künstler eingerichtet. 1985 initiierte Beate Hübner mit Unterstützung von Bürgermeister Krätschmer das erste Kulturwochenende in der Spessartgemeinde, bei dem sich 15 Künstler im Rathaus, im Gasthaus Adler, im Pfarrsaal und in örtlichen Ateliers präsentierten. Hier brachte sie Dörfler, die beim Besuch in der Stadt nie die Schwelle zu einer Galerie überschritten hätten, mit einer urbanen Kunstszene zusammen. Außer dem Konzept und der notwendigen Schreibtischarbeit besorgte Beate Hübner Hammer, Nägel, Stellwände und Kaffee … Sie bezeichnete das Ereignis als Kunstvolksfest und erklärte es — in ihrer bescheidenen Art — zum Selbstläufer! Auch hier galt ihr Engagement zunehmend der Integration im Exil lebender Kollegen. Der Aufarbeitung von Kriegs- und Fluchterlebnissen mit Hilfe der bildenden Kunst hat sie auch ein Forum bereitet mit den Ausstellungen "Kunst im Exil" 1988 in Flörsbachtal und "Flüchtlinge in Deutschland — Hoffnung oder Horror?" 1993 in Wächtersbach. Sie war ab 1992 Kulturbeauftragte von Wächtersbach, von 1989 bis 1996 war sie Mitglied der Kulturpreisjury und wirkte an der Gemeinschaftsausstellung der Preisträger 1989 in Gelnhausen mit. 1991 folgte eine Einzelausstellung in der Synagoge Gelnhausen, anlässlich ihres 50. Geburtstages gab es eine große Retrospektive im Landratsamt Gelnhausen.

Mit den Worten "…nicht zu viel nachdenken, umdenken, vorausdenken — lieber ein wenig fühlen, einfühlen, mitfühlen…" kommentierte Beate Hübner 1994 ihre Radierung "Der Apfelk, Nr.14" in dem Katalog "Kunst und Frauen und Männer und…"

Die Aussage war symptomatisch für Beate Hübners Leben und Werk. Nach kurzer, schwerer Krankheit starb sie im Dezember 1997.