2015 boehnke

2015 • Literatur

Prof. Heiner Boehncke und Hans Sarkowicz

Sinntal-Schwarzenfels 1944

Gelnhausen 1955

www.boehsar.de 



Prof. Heiner Boehncke und Hans Sarkowicz

Laudatio auf Prof. Heiner Boehncke und Hans Sarkowicz

Mit Prof. Heiner Boehncke und Hans Sarkowicz erhalten heute zwei namhafte Autoren den Kulturpreis des Main-Kinzig-Kreises, die seit vielen Jahren gemeinsam forschen und schreiben. In ihren Publika­tionen beziehen sie sich häufig auch auf historische Persönlichkeiten und Begebenheiten aus unserem Kreisgebiet. Deswegen verdanken wir ihnen viele neue Erkenntnisse über das literarische Leben unserer Region und eine Aufwertung der kulturellen Bedeutung des Main-Kinzig-Kreises generell.

Heiner Boehncke und Hans Sarkowicz sind zwei „hessische Leuchttürme“. Ihr Licht strahlt weit über die Landesgrenzen hinaus und auf Landesebene sind sie schon mit so manchen Auszeich­nungen bedacht worden. Doch fühlen sie sich in besonderem Maße unserer Region, unserem Landkreis, verbunden. Der Main-Kinzig-Kreis passt dabei schon rein geographisch bestens zu den Beiden: Mit seinem Geburtsort Sinntal-Schwarzenfels und dem derzeitigen Wohnort Maintal steckt Heiner Boehncke „persönlich“ die Ost- und Westgrenzen unseres Landkreises ab. In dessen Zentrum befindet sich mit Gelnhausen-Hailer wiederum ein Ort, mit dem Hans Sarkowicz schon eh und je heimatlich verbunden ist.

Seit den frühen 70er Jahren arbeiten sie zusammen, das heißt: Sie forschen und schreiben. Wer dabei welchen Part lieber erfüllt, ist nicht bekannt. In jedem Fall scheint sich das Duo „BoeSar“ – so lautet die Domain ihrer gemeinsamen Homepage – in einer äußerst produktiven Arbeitsatmosphäre zu bewegen. Denn beide haben schon sehr viel zusammen, aber auch einzeln publiziert. Man kann durchaus behaupten, dass ihr literarisches Wirken allein quantitativ eine Liga für sich darstellt. So weist die Deutsche Nationalbibliothek derzeit 127 Titel des Autoren „Heiner Boehncke“ auf, von „Hans Sarkowicz“ findet man gar 163. Boehncke und Sarkowicz sind mit rund 290 Publikationen also die literarisch Produktivsten, die es in Hessen derzeit gibt. Somit sind sie in der abschätzbaren Breitenwirkung wirklich außergewöhnlich.

Zählt man die gemeinsamen Publikationen der beiden (sei es als Autoren oder Herausgeber) zusammen, so kommt man auf 45.

Viele Bücher weisen den Begriff „Hessen“ im Titel auf. Zum Beispiel das „Hessen-Lexikon: Von Affendenkmal bis Zeppelinheim“. Ebenso „Die Geschichte Hessens: von der Steinzeit bis zum Neubeginn nach 1945“. Beide Bücher haben sie zusammen mit Gerd Bauer herausgegeben. Dieser Bezug zum Land Hessen ist natürlich auch auf den Hessischen Rundfunk zurückzuführen. Für ihn sind sie in unterschiedlichen Positionen seit vielen Jahren tätig und er ist eines ihrer Hauptmedien. Doch sind sie eigenständig in der Ideenfindung und es scheint, dass sie das, was sie antreibt, auch sofort in die Tat umsetzen. Heiner Boehncke und Hans Sarkowicz sind in vielen Gassen unterwegs und gucken dabei in so mache Ecken. Ihr Engagement im Hessischen Literaturrat (Heiner Boehncke war von 2004 bis 2010 dessen Sprecher), im Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der Johann-Wolfang-Goethe-Universität, in unzähligen Literatur- und Schreibinitiativen und vielem mehr zeigt: Die beiden sind – hessisch ausgedrückt – echte „Strippezieher“.

Nicht ohne Grund werden sie oftmals als „Schatzsucher“ bezeichnet, die sich auf abenteuerliche Reisen in vergessene, verschüttete oder verwaiste Gebiete deutscher Literatur und Zeitgeschichte begeben. Ihre Bücher sind wissenschaftlich exakt recherchiert, dabei in der Regel aber so geschrieben, dass sie echtes Lesevergnügen bereiten. Deshalb kommen ihre Erkenntnisse einem breiten Leserkreis zugute.

Die Kulturszene im Main-Kinzig-Kreis profitiert davon enorm.

Zu den jüngsten literarischen Errungenschaften der beiden zählen beispielsweise die „Lebenserinnerungen des Malerbruders“. Diese neu edierte Herausgabe der Autobiographie von Ludwig Emil Grimm ist eine aus Sicht des Main-Kinzig-Kreises besonders herauszustellende Arbeit. Denn in unserem Kreis gibt es zahlreiche Bemühungen, die Grimms – und damit meine ich nicht nur Jacob und Wilhelm, sondern eben auch Ludwig Emil – in unserer Region lebendig zu halten. Denken Sie an die beiden Grimm-Städte Hanau und Steinau, an die Bestände im Bergwinkel-Museum in Schlüchtern, an die zahlreichen Privatsammlungen und auch an zeitgenössische künstlerische Auseinandersetzungen! In Birstein arbeitet man derzeit daran, für nächstes Jahr ein Open-Air-Musical unter dem Titel „Ludwig Emil, der wilde Grimm“ zu realisieren. Ich denke, dass dieses Projekt der „Wilden Kultur Birstein“ mit großer Wahrscheinlichkeit auch auf den Einfluss unserer beiden Preisträger bzw. auf deren Herausgabe der „Lebenserinnerungen“ zurückzuführen ist.

In Birstein denkt man übrigens gerne an die beiden Autoren, die unlängst nicht nur besondere regionale Beziehungen von Ludwig Emil Grimm, sondern auch von Grimmelshausen aufdeckten. Heiner Boehncke zog vor einigen Jahren die Aufmerksamkeit einiger Birsteiner auf sich. In der Caféteria des Freibades trug er das Grimm-Märchen „Vom Fischer und seiner Frau“ vor – mit einer Mischung aus pommerschem und hamburgerischem Dialekt, wie das Gelnhäuser Tageblatt berichtete. Am Rande dieser „Performance“ gab er die für alle überraschende Erkenntnis preis, dass Birstein auch ein „Grimmelshausen-Dorf“ sei.

Damit spannte er den Bogen zum viel gelobten Buch „Grimmelshausen. Leben und Schreiben. Vom Musketier zum Weltautor“. Mit diesem Buch haben Boehncke und Sarkowicz die erste vollständige Lebensbeschreibung des Schriftstellers vorgelegt, in der viele neue Erkenntnisse zur Kindheit und Jugend in Gelnhausen und Hanau zu finden sind. Aber eben auch Beziehungen zu anderen Orten unserer Region, wie Birstein.

Viele weitere Veröffentlichungen können angeführt werden, für die Heiner Boehncke und/oder Hans Sarkowicz verantwortlich zeichnen und die bedeutsam für unsere Region sind: Zum Beispiel der von Reinhard Kaiser „aus dem Deutsch des 17. Jahrhunderts“ übersetzte und von Heiner Boehncke edierte „Simplicissimus“. Oder die von ihm und Phoebe [gesprochen: FIEBI] Schmidt in Hanau und Linsengericht-Altenhaßlau gewonnenen Erkenntnisse zu „Marie Hassenpflug – eine Märchenerzählerin der Brüder Grimm“.

Hans Sarkowicz ist als Projektleiter des „Literaturlandes Hessen“ beim Hessischen Rundfunk für die Pflege und Aktualisierung des literarischen Lebens auch im Main-Kinzig-Kreis verantwortlich. Er erstellt hierzu selbst Einzelbeiträge wie Städteportraits, philologische Recherchen, Sendungen über Persönlichkeiten und vieles mehr. Zusammen mit Heiner Boehncke brachte er vor Kurzen die dazugehörigen beiden Bücher heraus, die zu literarischen Streifzügen durch die Mitte Deutschlands einladen. Darin dokumentieren sie auch die große Bedeutung des Kinzigtals für das literarische Leben in Deutschland – mit den Grimms, Grimmelshausen, den Romantikern auf Hof Trages, Ulrich von Hutten und vielen anderen. Bei ihren gemeinsamen Forschungen arbeiten Boehncke und Sarkowicz in der Regel eng mit den örtlichen Geschichtsvereinen und Heimatmuseen zusammen, deren Fundi so eine zusätzliche Wirkung erfahren.

Durch zahlreiche unterhaltsame Auftritte zur Vorstellungen ihrer Publikationen verstärken sie die Wirkung ihres Schaffens – die Kinzigtal Nachrichten schrieben letzte Woche, dass es schon über 500 Auftritte gewesen seien. Beide stellen überdies ihre große Kompetenz für regionale Projekte zur Verfügung, zum Beispiel für die Planungen des Hanauer Märchenpfads. Sie sind Jurymitglieder des Grimmelshausen-Preises. Heiner Boehncke ist Mitglied im Verein der „Ritter von Schwarzenfels“, Hans Sarkowicz ist als Vorstand der „Stiftung Zuhören“ in den Schulen des Kreises aktiv. Dort sind beide präsent und hinterlassen bei den jungen Zuhörern bleibende Eindrücke. Schon mehrfach waren sie beispielsweise in Maintal bei der Reihe „Literatur im Gespräch“ zu Gast. Auch in diesem Jahr werden sie im Rahmen der Literatur-Tage am Albert-Einstein-Gymnasium ihre Werke präsentieren: Sie sind alle herzlich eingeladen, am 20. November im historischen Rathaus in Hochstadt die frisch gebackenen Kulturpreisträger live zu erleben!

Barbara Bingel, die Initiatorin dieser Lesereihe, schlug Heiner Boehncke und Hans Sarkowicz für den Kulturpreis des Main-Kinzig-Kreises vor. Die Jury folgte diesem Vorschlag gerne und ich darf nun die beiden nach vorne bitten und ihnen ihre Urkunden überreichen.

Die Laudatio hielt
Susanne Simmler
Erste Kreisbeigeordnete