1999 callesen

1999 • Archäologie

Dr. Gretel Callesen

Freiburg 1941 – Offenbach 2010



Dr. Gretel Callesen

Gretel Callessen ist die erste Profi-Archäologin in der Riege der Kulturpreisträger. Ihr ist es zu verdanken, dass sich viele Menschen im Kreis für "Ton, Steine, Scherben" interessieren und dass sich manche Behörden gezwungenermaßen damit befassen müssen. Bis Mitte der 1980er Jahre bestand die Vor- und Frühgeschichte im Niddertal aus einem weißen Blatt Papier.

Niemand hat geahnt, dass es hier bereits ab 5.500 vor Christus nachweisbare Siedlungen gegeben hat. Das ändert sich schlagartig 1987 mit dem Neubau des Kilianstädter Aldi-Supermarktes, als sich Gretel Callessen mit Freunden an einer archäologischen Notgrabung beteiligt. Sie erkennt den Wert des Gefundenen und treibt fortan weitere Grabungen voran.

Sie gründet mit Gleichgesinnten 1988 den Verein für Vor- und Frühgeschichte und wird von der Gemeinde Schöneck — unterstützt von Nidderau und Niederdorfelden — auf Zeit als Bodendenkmalpflegerin eingestellt. Angesichts der unzähligen größeren Bauprojekte hat sie die Aufgabe, von Baggern bedrohte Bodendenkmäler auszumachen, zu erhalten und/oder zu bergen.

An folgenden Orten greift sie maßgeblich ein: 1988 Verbindungssammler Schöneck, 1990 Burg Niederdorfelden, 1991 Stadtmauer Windecken, römische Gräber Oberdorfelden, 1992 Nidderau-Allee-Süd, Schlosspark Nord, Neuer Friedhof Büdesheim, 1994 bis 1996 Pfaffenhof Erbstadt.

Der bedeutendste Fund ist "Niddi", ein Skelett aus der Kupferzeit, 2.500 vor Christus. Dass die Nidderaue am nordöstlichen Rand der Wetterau ihr Forschungsinteresse einmal dermaßen bestimmen würde, hat Gretel Callessen nicht für möglich gehalten.

1941 in Freiburg geboren, wächst sie in den Vogesen, in ihrer Geburtsstadt und auf dem Hof der Großeltern im Höllental heran. Sie studiert in Freiburg, Marburg und Kiel und promoviert 1966 über "Die Besiedelung der südlichen Oberrheinebene in Neolithikum und Bronzezeit".

Bevor sie 1979 an die Städtischen Museen Hanau kommt, lernt sie einige "Highlights" der Archäologie kennen, während sie sich an Grabungen am Magdalenenberg in Villingen, dem größten Hallstattzeitlichen Grabhügel Deutschlands, und der Archsum-Burg auf Sylt beteiligt. Ihre archäologische Wahlheimat allerdings ist die Region zwischen dem französischen Zentralmassiv und Bordeaux.

Bis es sie nach Kilianstädten und Windecken verschlägt, gräbt sie 1981 beim Bau der Startbahn West einen Hallzeitlichen Grabhügel aus und ist bis 1987 im Museum für Vor- und Frühgeschichte in Frankfurt tätig. Eine Zeitlang ist sie ehrenamtlich voll beschäftigt: sie hält Vorträge, organisiert Projektwochen an Schulen und betreut mit dem Verein für Vor- und Frühgeschichte das Archiv in Nidderau-Heldenbergen. Seit April 2001 ist sie über eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme offiziell mit der Inventarisierung des Vereinsarchivs befasst.

Die dort aufzuarbeitenden Epochen reichen von der Altsteinzeit zur Jungsteinzeit, Glockenbecherkultur, Mittel- und Spätbronzezeit, Protokelten, Kelten, vorrömische Germanen- und Römerzeit bis hin zum Mittelalter und die frühe bis späte Neuzeit. Hinzu kommen Baustellenbetreuung, vorbereitende Maßnahmen für die Einrichtung eines archäologischen Museumscafes der Stadt Nidderau und des Vereins sowie wissenschaftliche Veröffentlichungen.

Dank Gretel Callessens Unermüdlichkeit rückt somit eine ganze Region ins archäologische Blickfeld, die bis dahin als "fundleer" galt.