Peter Henning
"Nein, ich bin kein Großer geworden," schreibt Peter Henning in der autobiographisch geprägten Kurzgeschichte "Wilhems Wahn — Großvater, die Dreiundneunziger, Rudi Völler und ich": "Auch wenn ich während meines ganzen Jugenddaseins von nichts sehnlicher träumte als von einer Karriere als vielumjubelter Rechtsaußen."
Zugegeben, Rudi Völler ist damals besser als Peter Henning, aber mittlerweile ist der 43jährige auf anderen Feldern groß herausgekommen und hat Auszeichnungen eingeheimst.
1984 teilt er sich mit Daniel Krüerke den ersten Kultur-Förderpreis, den der Main-Kinzig-Kreis an junge Talente verleiht. Damals ist er Germanistik- und Philosophiestudent in Frankfurt. Er hat 1981 angefangen Gedichte zu schreiben und zu veröffentlichen.
Nach Publikationen in den Anthologien "Nahezu greifbar" und "Männer schreiben neue Liebesgedichte", erscheinen 1984 sein Lyrikband "Licht und Schatten" und der Prosaband "Parkgeschichten und andere". In seinen Gedichten spiegelt sich die Angst des jungen Mannes vor der als kalt, hohl und sinnentleert empfundenen Realität. Vergebliche Suche nach Wärme und Geborgenheit paart sich darin mit der Furcht vor Nähe und Gewohnheit, Liebessehnen mit Todesverlangen. In den Kurzgeschichten beschäftigt er sich mit Menschen, die ihre Umwelt mehr erleiden als erleben. Diese Perspektive führt dazu, dass die Protagonisten der Erzählungen öfters stellvertretend für ihn selbst die Qualen der Welt durchzustehen haben.
Im selben Jahr begreift Peter Henning allerdings auch schon, dass Gedichte keine Ausdrucksmöglichkeiten mehr für ihn sind. Das "In-den-Tag-Hineinschreiben", das spontane Festhalten von Emotionen habe er überwunden. Er sei "ins Arbeiten gekommen" und befasse sich mit längeren Erzählungen.
Die Entscheidung ist ganz offensichtlich richtig, denn 1996 erringt er für seinen ersten Roman "Tod eines Eisvogels" den mit 25.000,— DM dotierten Literaturpreis der Erich-Ponto-Stiftung. Wie der renommierte Verlag Kiepenheuer und Witsch, bei dem der Erstling erscheint, mitteilt, ist Henning damit der 16. Preisträger in der Kategorie "Literarische Debüts". Sein Roman handelt von der brüderlichen Verbundenheit eines Mannes zu seiner Schwester, die mit 17 Jahren in eine koma-ähnliche Bewusstlosigkeit fällt und eine mehr als 20-jährige Odyssee durch Kliniken und Anstalten hinter sich bringen muss.
Ebenfalls 1996 druckt die Frankfurter Rundschau die Erzählung "Wilhelms Wahn" in der Wochenendbeilage ab. Sie ist eine Hommage an die frühen 70er Jahre mit treffenden Impressionen aus Kindheit und Kleinbürgermilieu und einer Liebeserklärung an Opa Wilhelm und Hanau 93.
In den folgenden vier Jahren arbeitet er an der Erzählung "Aus der Spur", die im Jahr 2000 bei Suhrkamp herauskommt. Das Schreiben habe ihn fast kaputt gemacht, bekennt er während einer Lesung in der Buchhandlung Dausien. 1100 Seiten hat das Ursprungsmanuskript, das er dann auf die Hälfte kürzt und in der Endfassung auf 128 Seiten komprimiert.
Parallel beschäftigt sich Peter Henning, der zum damaligen Zeitpunkt mit Frau und Kind in Frankfurt-Bornheim lebt und ein Stipendium in New York hat, mit dem Stoff für einen Roman über einen polnischen Fremdarbeiter.