1977 harder khasan

1977 • Malerei

Alexander Harder-Khasán

Samara 1901 – Hanau 1985



Alexander Harder-Khasán

Alexander Harder-Khasán war 1977 der erste bildende Künstler, der den Kulturpreis erhielt. Mit seiner Wahl setzte die Jury einen hohen Maßstab für die Zukunft, zeichnete sie doch einen Maler aus, dessen Werdegang, dessen Stil-, Farb- und Formgebung sich aus dem internationalen Spektrum der künstlerischen Avantgarde des 20. Jahrhunderts herausgebildet hat.

1901 in Samara (Russland) geboren, folgte Harder-Khasán nach der dreijährigen Verbannung der Familie an die Grenze der kasachischen Steppe die Emigration in das damalige Ostpreußen. Harder-Khasán schrieb sich 1921 an der Kunsthochschule Königsberg ein, wechselte 1924 nach München und setzte 1926—1927 seine Studien in Berlin und Paris fort. Seine Tochter Franziska Haslinger beschrieb 1981 in einem Katalogbeitrag unter dem Titel "Bemühung um Aufrichtigkeit": "Mit Sorgfalt und Fleiß ertüchtigte sich der Kunststudent an der Akademie in Königsberg. Der Studienortwechsel nach München brachte Harder-Khasán mit der Welt des Großbürgertums in Berührung und schien die Maxime jeden Erfolgs zu bestätigen, der Talent und Fleiß krönt. Berlin, die internationale Großstadt der 20er Jahre, war Schmelztiegel der Künstler, die sich gegen althergebrachtes Cliquendenken wehrten, sich mit Impulsen aus Ost und West selbständig auseinandersetzen wollten. (…) Die Studienreise nach dem vielgepriesenen Avantgardezentrum Paris brachte die befreiende Erkenntnis dessen, was Malerei jenseits des Handwerks überhaupt erst sein kann, und gleichzeitig den ‚Schock der Moderne‘".

1927—1935 hielt sich Harder-Khasán in Nordamerika auf, seinen Aufenthalt finanzierte er mit Auftragskunst, in der er sein handwerkliches Können unter Beweis stellte. Eine ähnliche Situation ergab sich, als er 1936 nach Deutschland zurückkehrte: Der Absprung in die freie Malerei wurde durch ein Ausstellungsverbot des NS-Regimes unmöglich gemacht, der Künstler musste eine Zwangsumschulung zum Handelsbuchhalter absolvieren, wurde zum Kriegsdienst eingezogen und geriet in Gefangenschaft.

Nach Kriegsende verschlug es ihn nach Osterlinde in Niedersachsen. In der Dorfabgeschiedenheit entstanden nun die ersten expressiven Arbeiten. "Der seelische Druck, der sich über Jahre angestaut hatte, musste abgelassen werden; es musste herausgeschrieen und -gebrüllt werden, was alles war: Da gab es keinen Gedanken an Farbkultur, Materialgediegenheit, stilistische Probleme — das alles hatte sich von selbst erledigt. Sich von all dem Unsagbaren der vergangenen Jahre zu befreien — das war brennendes Anliegen," schilderte Franziska Haslinger die Situation ihres Vaters, sie schrieb weiter: "Und dann die frühen Jahre in Hanau, wo es wieder erste Kontakte mit der Zivilisation gab, mit Kollegen, Ausstellungen, Informationen über die Kunstszene der Nachkriegsjahre. Hier zeigt sich dem Endvierziger, dass er unversehens, gleichsam durch Malentzug, eine Künstlerpersönlichkeit aus seinem Schicksal heraus geworden ist. Dies war nun kein Suchen nach Identität, sondern ein ununterbrochenes Finden."

Auf diese expressionistische Phase folgte in den späten 50er und in die 60er Jahre hinein eine erneute schöpferische Auseinandersetzung mit der gegenstandslosen Malerei.

Reisen nach Griechenland und in den Vorderen Orient gaben danach Anstöße, seine Impressionen in den 70er Jahren surrealistisch umzusetzen.

Für Franziska Haslinger als auch für die Verehrer von Harder-Khasáns Schaffen bedeutete diese Wiederbeschäftigung mit bereits bearbeiteten Stilrichtungen ein erneutes, kritisches Hinterfragen und Überprüfen der eigenen Position und war somit Ausdruck seiner Bemühung um künstlerische Aufrichtigkeit.