Rolf Rudin
In den 33 Jahren, die der Kulturpreis verliehen wird, sind im Bereich Musik 24 Künstlerinnen und Künstler ausgezeichnet worden. Organisten, Pianisten, Violinisten, Gitarristen, Sänger, Chorleiter, Dirigenten, Jazz- und Rockmusiker und Musikpädagogen. Rolf Rudin ist der erste Komponist.
Er hat bis heute über 90 Stücke komponiert, Kammermusik, Chor- und Orchesterwerke. "Ich schrieb so genannte Ernste Musik - zeitgenössisch - modern - immer für den Konzertsaal - die große Musikgeschichte im Nacken verspürend, mit all den Vor- und Nachteilen - das ist das, was man Tradition nennt. Und dann versucht man sich aus dem Schatten zu lösen und Eigensprachlichkeit zu entwickeln." Etwa ein Drittel seiner Kompositionen sind dem sinfonischen Blasorchester gewidmet, damit zählt Rudin zu dem Häuflein der ganz wenigen Aufrechten, "die dem Blasorchester wieder Anschluss an die Zeitströme der klassischen Musik zurückgeben wollen," kommentiert Dr. Philipp Ralph Ziegler, "ohne dabei den gewachsenen Klangkörper zu vergewaltigen. Denn man musiziert hier aus Spaß an der Sache, und ein Stück, das weder interessant ist noch Spaß macht, liegt für gewöhnlich nur einmal auf dem Pult." So wagt Rudin den Spagat zwischen zeitgenössischem Musikschaffen und musikantischer Musizierlaune.
"Rudins Verdienst ist es," schreibt der Dirigent Stefan Fritzen, "das Blasorchester neuen Inhalten zugeführt zu haben. Seine musikalische Sprache ist hochdifferenziert und nie klischeehaft." Weg vom Vorurteil bierseliger Kleinbürgerlichkeit, hin zu einem modernen Klang, das ist Rudins Vision. "Es ist ein Genre, in dem man noch unheimlich viel und noch nie Gesagtes verwirklichen kann," bekennt Rudin.
Fasziniert von keltischen Märchen und Sagen, deren Idee des Jenseits und der Anderswelt und deren Spiritualität, entstehen seit Beginn der 1990er Jahre Werke wie "Der Traum des Oenghus" und "Die Druiden". Viele seiner Arbeiten entstehen als Auftragsarbeiten für Institutionen, Orchester, Ensembles oder Interpreten. Viele Kompositionen wurden als Pflichtstücke für deutsche oder internationale Wettbewerbe nominiert. Einen guten Ruf hat er sich als Schöpfer programmatischer Klangdichtung erworben. In "Sternenmoor" beispielsweise interpretiert er eine Naturbetrachtung aus einer Erzählung des irischen Schriftstellers Standish James O´Grady. In "... bis ins Unendliche..." setzt er sich mit Briefen Vincent van Goghs auseinander. "Wie beim Malen sei auch im Klang etwas Unendliches, in den Tönen und Harmonien seien ebenfalls verborgene Dinge, die durch sich selbst wirkten und die man durch kein anderes Medium ausdrücken könnte," bezieht Rudin eine Aussage van Goghs auf seine musikalische Arbeit.
Rolf Rudin wird 1961 in Frankfurt am Main geboren. Er besucht das Goethe- Gymnasium und erhält Musikunterricht an der Jugendmusikschule und am Dr. Hoch´s Konservatorium. 1981 erspielt er sich den 1. Platz in der Kategorie "Gitarre solo" beim Bundeswettbewerb "Jugend musiziert". In seiner Heimatstadt und in Würzburg studiert er Schulmusik, Komposition, Orchesterdirigieren und Musiktheorie. Seine Kompositionslehrer waren Hans Ulrich Engelmann und Bertold Hummel. Er wird Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes und wird vom Bayerischen Kultusminister mit einem Stipendium für einen halbjährigen Paris-Aufenthalt ausgezeichnet. Er schließt sein Studium 1991 mit einem Diplom in Komposition und 1992 mit einem Diplom in Dirigieren ab. Anschließend ist er zehn Jahre lang Dozent für Musiktheorie an der Frankfurter Musikhochschule. Seit seinem 40. Lebensjahr lebt und arbeitet er als freischaffender Komponist in Erlensee und gehört damit zu den wenigen der so genannten "Ernsten Musik", die von ihrem Werk existieren können.
Er ist verheiratet mit der Musikpädagogin Brigitte Rudin und hat drei Söhne mit ihr. Komponiert wird mit Notenpapier, gespitztem Bleistift und Radiergummi am Schreibtisch oder am Klavier. Er liebt die "Handarbeit" am Manuskript (sic!) als sehr sinnlichen, schöpferischen Akt, digitaler Methoden bedient er sich bisher nicht. Was die Frage des Genre anbelangt, so behauptet er: "der beste Platz ist zwischen den Stühlen!" Er will in keine Schublade passen und wenn es Zuhörer gibt, die seine Kompositionen als "Filmmusik" wahrnehmen, dann empfindet er das meistens nicht als Abwertung im Sinn von seicht, sondern positiv in dem Sinn, dass seine Klangdichtungen Emotionen auslösen, die nachvollziehbar sind als Abbild von Lebenswirklichkeit.
Sein Ziel ist es, eine Balance zwischen Ästhetik und Emotion einerseits sowie Konstruktion und Ratio andererseits zu entwickeln, die den Konzertbesucher ebenso erfreut wie sie den Spezialisten überrascht.
Mittlerweile stehen seine Kompositionen weltweit auf Konzertprogrammen. Ein Höhepunkt ist die Aufführung von "Der Traum des Oenghus" 1998 in der berühmten Carnegie Hall in New York gewesen, die ein riesiger Erfolg wurde. Interessant ist, dass er zwar in Deutschland mehr Aufführungen verzeichnen kann, aber in USA populärer ist als hier. Er gilt dort unter Fachleuten als der wichtigste lebende deutsche Komponist für sinfonisches Blasorchester.
In einer fünf Bände umfassenden Publikation, herausgegeben von der Universität von Washington, mit Portraits von Komponisten, die für sinfonisches Blasorchester schreiben, hat Rolf Rudin als einziger deutscher und als einer unter wenigen europäischen Komponisten einen Platz gefunden.
Darin schreibt der berühmte amerikanische Dirigent Eugene Corporon, der an der Universität von North Texas lehrt, "Rolf Rudin ist ein Komponist, der gleichzeitig in zwei "Zeitzonen" lebt. Er ist fest verwurzelt in der deutschen Tradition, schreibt aber Musik, die traditionelle Werte mit einer modernen, zeitgemäßen Klangsprache zum Ausdruck bringt.
Sein Werk ist epischer Natur und dennoch zugänglich. Er ist ein Maler des Klanges mit ausgeprägtem Pinselstrich. Seine Musik fasziniert und nimmt Aufmerksamkeit in Anspruch. Er ist eine wirklich einzigartige Stimme und seine Werke für Bläser erweitern das Repertoire in einer sehr bedeutenden Art und Weise."
Seine Kompositionen sind auf vielen CDs eingespielt worden, die Noten verlegt er seit Mitte der neunziger Jahre selbst.
Beitrag aus der Laudatio von Landrat Erich Pipa. Überarbeitet von Rolf Rudin 2011.