Page 66 - MKK Kulturpreisträger 25 Jahre Katalog
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1991 Erland Schneck Großauheim 1946Einer der schillerndsten und manchmal umstrittensten Theater- macher der Region ist der Pädagoge Erland Schneck. Seit 1976 über- rascht er seine nähere Umgebung, die Hohe Landesschule, an derer Deutsch und Gesellschaftskunde unterrichtet, sowie die Hanauer Öffentlichkeit alljährlich mit Aufsehen erregenden Inszenierungen. Das Spektrum reicht von Sophokles bis Dürrenmatt. Superlative sind seine Spezialität: Zum Teil hat er weit über hundert Schülerinnen und Schüler auf die Bühne gebracht und Aufführungsdauern von viereinhalb Stunden erreicht.Durchgängiges Motiv aller Ins- zenierungen, ob Mammutspektakel oder versuchtes Kammerspiel, ist das Weltentheater. Die Dialektik von Gut und Böse, Oben und Unten, von Illusion und Utopie einerseits, Destruktion und Inferno anderer- seits, reizen ihn. Widersprüchlich- keit, der am Ende das „Dennoch- Prinzip“ entgegengesetzt wird. Das erreicht er mit starken Kontrastie- rungen, sowohl bei der Interpreta- tion der Bühnenfiguren als auch mit der Wahl der Mittel. Tragik und Komik liegen dabei ebenso oft neben- einander wie Pennälerwitz und hehre Kunst im Sinn vom Wahren, Guten und Schönen. Ein weiterer Aspekt ist es, den Sinngehalt der Klassiker auf aktuelle Probleme der Gegen- wart zu beziehen. So wählt er im Jahr des Golfkrieges Lessings „Nathan der Weise“ aus und konterkariert die versöhnliche Schlussszene, inder sich Juden, Christen und Mos- lems als Angehörige einer großen Familie erkennen, im Geschütz- donner des Krieges untergehen ... oder er interpretiert Shakespeares „Sommernachtstraum“ als Drogen- trip oder organisiert unmittelbar nach der Öffnung der Grenzender DDR eine Tournee mit seiner politisch-brisanten Inszenierung von „Perestroika“ in Gotha und Eisenach. Seine Schülerdarsteller lässt Erland Schneck dabei am vor- gegebenen Text frei assoziieren. Die gemeinsame Erarbeitung ist von einem radikal-demokratischen und nicht-repressiven Umgang geprägt. „Was will der Autor und was geht dabei in mir vor?“ sind die zentralen Fragen, mit denen er die Kreativität seiner Schüler herausfordert.Für den Außenstehenden, der Schneck bei seinen Proben beobach- tet, wirkt der Mann theaterbesessen. War das schon immer so? Er ant- wortet: „Ich war ein Hortkind und habe dort immer schon ruminsze- niert.“ Später, als Hola-Schüler, hat er dem stellvertretenden Schulleiter Mikasinovic beim Proben auf die Finger geschaut und sich von ihm beeindrucken lassen, wie er den Schülern „erst spielerisch freie Hand ließ und dann am Gezeigten feilte.“ Diese Methode hat Schneck für seine Regiearbeit im wesentlichen übernommen.Nach dem Abitur hätte er gerne Regie und Dramaturgie studiert, entschließt sich – wahrscheinlichauf Wunsch seiner realistisch- denkenden Eltern – für das Studium der Germanistik, Politologie, Philo- sophie und katholischer Religion. Während seiner Studienjahre an der Universität Frankfurt wird er mit der APO und der 1968er Bewegung konfrontiert. Die Referendarzeit absolviert er an der Hohen Landes- schule, wird anschließend daselbst in den Schuldienst übernommen und ist dort mittlerweile Ober- studienrat.Anlässlich der Kulturpreis-Ver- leihung, die mit Erland Schnecks 45. Geburtstag zusammenfällt, ver- sammeln sich die Hola-Mimenzu einer „Urdrama“ genannten „parabolischen Improvisation“ mit Hinkelstein, Löwe und Steinzeit- wesen, Textproben von Goethe, Schiller und Kleist. Als Narr tritt Rolf Kanies an, der, aus der Schneckschen Truppe stammend, inzwischen Engagements an Schau- spielhäusern in Graz, Bochum und Krefeld vorweisen kann. Die Auf- führung gerät zu einer Hommage auf das Hola-Schultheater und seinen langjährigen spiritus rector. „Die Nibelungen“ – nach Hebbel –, sind im Sommer 2001 Objekt seiner24. Hola-Produktion. Zum Jubiläum seiner 25. Inszenierung plant er 2002 ein Projekt zur Landesgarten- schau Hanau.6625 JAHRE KULTURPREIS DES MAIN-KINZIG-KREISES