Page 107 - MKK Kulturpreisträger 25 Jahre Katalog
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Dr. Gretel CallesenFreiburg 1941Gretel Callessen ist die erste Profi-Archäologin in der Riege der Kulturpreisträger. Ihr ist es zu ver- danken, dass sich viele Menschen im Kreis für „Ton, Steine, Scherben“ interessieren und dass sich manche Behörden gezwungenermaßen damit befassen müssen. Bis Mitte der 1980er Jahre bestand die Vor- und Frühgeschichte im Niddertal aus einem weißen Blatt Papier.Niemand hat geahnt, dass es hier bereits ab 5.500 vor Christus nachweisbare Siedlungen gegeben hat. Das ändert sich schlagartig 1987 mit dem Neubau des Kilian- städter Aldi-Supermarktes, als sich Gretel Callessen mit Freunden an einer archäologischen Notgrabung beteiligt. Sie erkennt den Wert des Gefundenen und treibt fortan weitere Grabungen voran.Sie gründet mit Gleichgesinnten 1988 den Verein für Vor- und Früh- geschichte und wird von der Ge- meinde Schöneck – unterstützt von Nidderau und Niederdorfelden – auf Zeit als Bodendenkmalpflegerin eingestellt. Angesichts der unzäh- ligen größeren Bauprojekte hat sie die Aufgabe, von Baggern bedrohte Bodendenkmäler auszumachen,zu erhalten und/oder zu bergen.An folgenden Orten greift sie maßgeblich ein: 1988 Verbindungs- sammler Schöneck, 1990 Burg Niederdorfelden, 1991 Stadtmauer Windecken, römische Gräber Ober- dorfelden, 1992 Nidderau-Allee-1999Süd, Schlosspark Nord, Neuer Friedhof Büdesheim, 1994 bis 1996 Pfaffenhof Erbstadt.Der bedeutendste Fund ist „Niddi“, ein Skelett aus der Kupfer- zeit, 2.500 vor Christus. Dass die Nidderaue am nordöstlichen Rand der Wetterau ihr Forschungsinte- resse einmal dermaßen bestimmen würde, hat Gretel Callessen nicht für möglich gehalten.1941 in Freiburg geboren, wächst sie in den Vogesen, in ihrer Geburts- stadt und auf dem Hof der Groß- eltern im Höllental heran. Sie studiert in Freiburg, Marburg und Kiel und promoviert 1966 über „Die Besiede- lung der südlichen Oberrheinebene in Neolithikum und Bronzezeit“.Bevor sie 1979 an die Städtischen Museen Hanau kommt, lernt sie einige „Highlights“ der Archäologie kennen, während sie sich an Gra- bungen am Magdalenenberg in Villingen, dem größten Hallstatt- zeitlichen Grabhügel Deutschlands, und der Archsum-Burg auf Sylt beteiligt. Ihre archäologische Wahl- heimat allerdings ist die Region zwischen dem französischen Zen- tralmassiv und Bordeaux.Bis es sie nach Kilianstädten und Windecken verschlägt, gräbt sie 1981 beim Bau der Startbahn West einen Hallzeitlichen Grabhügel aus und ist bis 1987 im Museum für Vor- und Frühgeschichte in Frank- furt tätig. Eine Zeitlang ist sieehrenamtlich voll beschäftigt: sie hält Vorträge, organisiert Projekt- wochen an Schulen und betreut mit dem Verein für Vor- und Früh- geschichte das Archiv in Nidderau- Heldenbergen. Seit April 2001 ist sie über eine Arbeitsbeschaffungs- maßnahme offiziell mit der Inven- tarisierung des Vereinsarchivs befasst.Die dort aufzuarbeitenden Epochen reichen von der Altstein- zeit zur Jungsteinzeit, Glocken- becherkultur, Mittel- und Spät- bronzezeit, Protokelten, Kelten, vorrömische Germanen- und Römerzeit bis hin zum Mittelalter und die frühe bis späte Neuzeit. Hinzu kommen Baustellenbetreu- ung, vorbereitende Maßnahmenfür die Einrichtung eines archäo- logischen Museumscafes der Stadt Nidderau und des Vereins sowie wissenschaftliche Veröffentlichungen.Dank Gretel Callessens Uner- müdlichkeit rückt somit eine ganze Region ins archäologische Blickfeld, die bis dahin als „fundleer“ galt.10725 JAHRE KULTURPREIS DES MAIN-KINZIG-KREISES


































































































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