Page 88 - Kulturpreisträger_Künstlerprotraits
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1999 Günther D. Förster Zábrèh 1940SCHÖNSeit gut einhundert Jahren betrachtet die Fachwelt zunehmend das Schöne in der Kunst mit Argwohn oder radikaler Ablehnung. Warum? Warum kämpfte Thomas Mann gegen die Verführungskraft des ersten Lohengrin Vorspiels an? Warum fürchtete Adorno die Verführung durch Schönheit? Was ist denn, wenn niemand Schaden nimmt, von Übel an Verführung? Oscar Wild: „Die einzige Möglichkeit einer Versuchung zu widerstehen, ist, ihr nachzugeben.“Obwohl der Begriff schön nicht einfach zu definieren ist, hat jeder Mensch eine Vor- stellung von schön, und zwar eine positive. Sie ist persönlich und veränderlich, aber stets existent. Schön kann Gefühlchen oder große Gefühle hervorrufen, kurzlebig oder an- haltend sein. Schön kann Fantasie sein und die Existenz von Fantasie ist unbestreitbar. Hans Werner Henze spricht von der „Sehnsucht nach dem wilden Wohlklang.“ Musik kann überwältigend schön sein. Ihre Schönheit kann betören und verführen. Das ist beglückend und völlig unschädlich. Ob mächtige Sakralgebäude oder zauberhafte Miniaturen, die Geschichte der Kunst ist mit Schönem reichlich angefüllt. Friedrich Schiller hatte Respekt vor der Macht der Schönheit.Warum beäugt gerade die Moderne das Schöne so misstrauisch? Ist es eine Ängstlich- keit, Schönes von Kitsch nicht unterscheiden zu können, Aufmerksamkeit zu verlieren? Gewiss: Wenn dem Schönen und dem Wahren die künstlerische Basis fehlt, bleibt nur Banalität. Von ihr kann sich ein wacher Kopf mit emotional und geistig fundierten Sensoren leicht wieder abwenden. Schön muss ja nicht Intelligenz ersetzen, beansprucht auch keineswegs Alleinherrschaft. Kunst muss in erster Linie im gestalterisch abstrak- ten Sinn gut sein. Und wenn sie gut ist, darf sie auch mystisch, dramatisch, gegen- ständlich oder ungegenständlich, kritisch, hässlich, ... oder auch schön sein.Haben wir verlernt, Realitäten, wie die Pracht eines blühenden Apfelbaums, den Licht- zauber eines Sonnenaufgangs, einen zarten oder heftigen Farbklang, eine feine Be- wegung oder auch nur eine angenehme Empfindung schön zu finden, sich faszinieren zu lassen? Richtet sich Aufmerksamkeit in der Kunst nur noch auf spektakuläre Events? Verödet unser Sehen, Empfinden?Sind wir so bescheiden geworden, dass Marktgeschrei, Börsenbewegungen, das Auto, was Buntes, ein billiges Bier oder ein exklusiver Wein, eine eitle Ichpflege u. ä. unsere Lebensansprüche bereits begleichen?Schön kann in der Kunst nicht an der Spitze stehen. Aber mit dem Vorhandensein von Kunst darf Schönes frei strahlen und wunderschön verführen – gerade heute! Stille und Schönheit können von Unendlichem und Tiefem erfüllt sein.Danke Eva, dass Du das pure Gold der Schlange erkannt hast!Auszug aus meinem in Arbeit befindlichen Buch über Licht und Schatten in der Freiheit der Kunst.88Günther D. Förster · Jaspersallee 46 · 81245 München · www.alice-dsl.net/kunst-foersterWWW.KULTURPREIS.NET