Page 78 - MKK Kulturpreisträger 25 Jahre Katalog
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1993 Papiertheatergruppe HanauIngrid Aichert, Michaela Meise, Astrid Mosler, Magnus Noll und Holger Zehe haben sich einer Minia- turgattung des Theaters verschrie- ben. Ihre Spielfiguren sind sechs bis zwölf Zentimeter lang, ausschließ- lich zweidimensional und manch- mal sogar aus historischem Material: papperne Helden und Schönheiten, verfertigt aus Ausschneidebögen, die aus dem 19. Jahrhundert stam- men.Die Kleinst-Kunst-Bühnen mit dazugehörigem Personensatz gehör- ten früher in viele gutbürgerliche Stuben und waren Teil häuslicher literarischer Erziehung. Thomas Mann schilderte seine Erfahrungen mit dem Medium Papiertheaterin den „Buddenbrooks“ und in der Novelle „Bajazzo“.Die fünf 17-jährigen, die 1993 den Förderpreis Kultur für die Reaktivierung dieser Kunstform erhalten, haben sich – wie der kleine Hanno B. – schon als Kinder für kleine Guckkastentheater be- geistern lassen.Das Quintett besucht im gleichen Jahrgang die Förderstufe der Brüder Grimm Schule in Hanau und findet sich in der Papiertheater AG ihres Kunsterziehers Helmut Wurz zu- sammen. Hier lernen die 11- und 12jährigen ihr Handwerk von der Pike auf. Unterstützt von Eltern und Freunden produzieren sie zunächst eine Hörspielkassette für die jeweilige Inszenierung, denn während derAufführung kam der Dialog „aus der Dose“. Wenn der Text steht, mit Musik und Geräuschen unterlegt ist, steigt das Team hinter die Kulis- sen, schließlich bilden Stell- und Beleuchtungsproben die Basis aller Vorstellungen. Während die Mäd- chen sich um Bewegungsabläufe, Positionswechsel und um die Dekorationen kümmern, widmen sich die Jungen der Licht- und Tontechnik.Obwohl sie nach der Förderstufe in unterschiedliche Schulen wech- seln, bleiben die Heranwachsenden ihrer großen Liebe zum kleinen Theater treu.1990 übersiedeln sie von der Schulbühne ins Museum von Schloss Philippsruhe, wo sie sonn- tags im Papiertheater-Museum regelmäßig Aufführungen geben.Sie eröffnen die Spielzeit mit einer winterlich-wehmütigen Ins- zenierung von Hans Christian Andersens „Mädchen mit den Schwefelhölzern“. Anschließend erfreut sich ihre Version von „Hänsel und Gretel auf hessisch“ großer Beliebtheit beim Publikum. Mit ihrer Produktion von „Aladin und die Wunderlampe“ gastieren die Jugendlichen beim Internatio- nalen Papiertheatertreffen in Preetz, in Kopenhagen und in Darmstadt.Höhepunkt ihrer Karriere ist eine Parodie von Johann Nestroy auf Richard Wagners „Tannhäuser“,dieser Theaterjux für Erwachsene entspricht allerhöchsten musik- literarischen und ästhetischen An- sprüchen!Nach dem Abitur 1994 zerstreuen sich die Wege der Jugendlichen zu Ausbildung und Studium in alle Winde. Ein Ensemble von Erwach- senen und eine neue Schülergruppe übernimmt das Repertoire.7825 JAHRE KULTURPREIS DES MAIN-KINZIG-KREISES